Big Data im HR-Bereich
Big Data kann Unternehmen produktiver machen. Auch in der Schweiz setzen Firmen zunehmend neue Techniken ein, um die Leistung ihrer Mitarbeitenden zu kontrollieren. Doch überrissene Kontrolle kann das Vertrauen in den Arbeitgeber zerstören. Das Projekt hatte zum Ziel, zu analysieren, wie Unternehmen dies vermeiden können.
Porträt / Projektbeschrieb (abgeschlossenes Forschungsprojekt)
Unsere Arbeit gliederte sich in vier Phasen:
- Wir haben ein modulares Framework empirisch fundiert, um Big Data im HR-Bereich konzeptionell zu erfassen.
- In einer gross angelegten Umfrage unter Schweizer Unternehmen ermittelten wir, wie Big Data heute am Arbeitsplatz eingesetzt wird.
- In fünf detaillierten Fallstudien wurden Best Practices zu Big Data im HR-Bereich identifiziert.
- Aus den Daten erstellten wir ein Modell, das verschiedenste Arbeitsplatz- und Privatsphären-Szenarien umfasst und das wir testeten und im Dialog mit der Praxis weiterentwickelten.
Die gewonnenen Daten und Erkenntnisse teilten wir sowohl mit der nationalen und internationalen wissenschaftlichen Community als auch mit den fünf beteiligten Unternehmen in der Schweiz.
Hintergrund
Mitarbeiter-Analyse-Tools sollen Unternehmen produktiver, transparenter und flexibler machen und die Fairness fördern. Sie sind in allen Bereichen im Werdegang von Mitarbeitenden zunehmend gefragt. Ihre Vorteile können jedoch mit verschiedenen, oft einschneidenden Fallstricken einhergehen wie Vertrauensverlusten. Zudem erfüllen die Tools oft nicht die notwendigen rechtlichen Anforderungen aus datenschutzrechtlicher, arbeitsrechtlicher und diskriminierungsrechtlicher Sicht.
Ziele
Wir beantworteten folgende Fragen:
- Wie sieht eine fundierte Konzeption von Big Data im HR-Bereich aus?
- Welche Big-Data-basierten Verfahren setzen Schweizer Unternehmen derzeit im HR-Bereich ein?
- Inwiefern fördern oder schmälern diese das Vertrauen in den Arbeitgeber?
- Welches Verbesserungspotenzial gibt es aus personalwirtschaftlicher, ethischer und juristischer Perspektive?
Wir suchten den Dialog mit der Praxis und führten empirische Untersuchungen mit verschiedenen Methoden durch.
Bedeutung / Anwendung
Viele Aspekte unseres Projekts ermöglichen ein differenzierteres Verständnis dafür, was Big Data für das HR-Management auf verschiedenen Unternehmensebenen bedeutet. Vor unserem Projekt gab es keine robusten Daten darüber, wie Schweizer Unternehmen Big-Data-Tools im HR-Management einsetzen. Darüber hinaus wurden Wechselwirkungen mit Vertrauen sowie ethischen und rechtlichen Überlegungen weitgehend ignoriert. Unsere interdisziplinäre Forschung stärkt den Wissenschaftsstandort Schweiz und findet praktische Anwendung.
Resultate
Vertrauen/HR-Management: Unser modulares Framework bietet eine erste Möglichkeit, die Komplexität, die mit der Einführung und Nutzung von Big Data einhergeht, systematisch zu entwirren. Zudem kann es vom Management genutzt werden, um die Auswirkungen von Technologie am Arbeitsplatz zu bewerten oder sogar digitale Kompetenz im Rahmen von Führungsaufgaben zu trainieren. Darüber hinaus sind unsere Ergebnisse insofern zukunftsweisend, als dass sie Herausforderungen in Bezug auf Vertrauen aufzeigen, die sich aus der fortschreitenden Automatisierung der Unternehmensführung ergeben, und auf kritische Managementstrategien hinweisen, die solche vertrauensschädigenden Effekte abmildern.
Geschäftsethik: Die Entwicklung und Einführung von Big-Data-basierten HR-Tools geht mit erheblichen normativen Herausforderungen einher, die wir aus der Perspektive der persönlichen Integrität systematisch herausgearbeitet haben. In unseren Publikationen haben wir neue Perspektiven auf den verantwortungsvollen Umgang mit Technologie eröffnet und bisher wenig beachtete Konzepte wie Monolatrie oder moralische Imagination untersucht. Wir plädieren für die organisatorische Entwicklung einer kritischen Datenkompetenz, eines moralischen Bewusstseins, einer partizipativen Gestaltung und (über das implementierende Unternehmen hinaus) neuer privater Regulierungsregime.
Recht: Arbeitgeber sind mit datenschutzrechtlichen, arbeitsrechtlichen und diskriminierungsrechtlichen Herausforderungen konfrontiert. In unseren Publikationen haben wir diese rechtlichen Herausforderungen analysiert und Lösungen für Fragen vorgeschlagen, die im Schweizer Recht bisher nicht behandelt wurden. Wir haben uns für eine Professionalisierung und Demokratisierung des Datenschutzrechts ausgesprochen, um eine bessere Rechtsdurchsetzung in der Praxis zu erreichen. Ausserdem haben wir gezeigt, dass das Antidiskriminierungsgesetz algorithmische Diskriminierung nicht angemessen verhindert oder kompensiert und auch mit einer Überarbeitung dazu nicht in der Lage sein wird. Wir haben die arbeitsrechtlichen Fragen, die sich nach Schweizer Recht ergeben, analysiert.
Originaltitel
Big Data or Big Brother? – Big Data HR Control Practices and Employee Trust