Rechtliche Herausforderungen von Big Data
Am Beispiel vom "intelligenten Verkehr" untersucht das Projekt, wer über das Nutzen von Daten bestimmen kann, die etwa Fahrautomatisierung generiert werden. Wer hat das Recht, aus solchen Daten Profit zu schlagen, welche Rolle spielt der Datenschutz – und könnten die durch das Fahren generierten Daten als Beweismittel herangezogen und in einem Strafverfahren gegen den Willen eines Beteiligten zur Anklage verwendet werden?
Porträt / Projektbeschrieb (abgeschlossenes Forschungsprojekt)
Das geltende Recht ist nicht in der Lage, den Herausforderungen von Big Data gerecht zu werden. Es berücksichtigt weder den Nutzen noch die Risiken der Verarbeitung grosser Datenmengen, die möglicherweise die Rechte des Einzelnen beeinträchtigen. Das Forschungsprojekt untersucht – am Beispiel des intelligenten Verkehrs – vier wichtige Teilfragen: Wem «gehören» die Daten, die beim automatisierten Fahren anfallen? Welche Rolle spielt der Datenschutz? Wann können Daten als Beweismittel für Strafverfahren verwendet werden? Und dürfen Hersteller oder Nutzer von hochautomatisierten Fahrzeugen Strafverfolgung verlangen, wenn Daten von Dritten ausspioniert und veröffentlicht werden? Ausgehend vom geltenden Recht schafft das Projekt einen Rahmen, in dem eine Gruppe von Fachpersonen aus Wissenschaft und Praxis Empfehlungen für neue gesetzliche Regelungen erarbeitet.
Hintergrund
Technische Entwicklungen eilen gesetzlichen oft voraus, so auch bei der Nutzung von Big Data. Bei der Automatisierung des Fahrens fallen beispielsweise riesige Datenmengen an, deren Nutzung in Bezug auf Datenschutz, Zugriffs- oder Portabilitätsrechte nur unzureichend geregelt ist. Fragen stellen sich in vielerlei Hinsicht: Müssen Nutzer von automatisiertem Fahren vor einer unbeschränkten Datenauswertung geschützt werden? Oder sollten sie auch am Wert der beim Betrieb entstehenden Daten beteiligt werden? Und was, wenn das rekonstruierte Bewegungsbild nicht nur für eine personalisierte Werbung, sondern auch für Strafverfolgungsbehörden von Interesse ist?
Ziele
Ziel ist zunächst zu klären, ob das geltende Recht eine angemessene Regulierung von Big Data ermöglicht. Hierüber besteht Rechtsunsicherheit, die sich als Hemmnis für die Entwicklung und Anwendung technischer Innovationen erweist. Dort wo adäquate Regelungsansätze fehlen, werden Empfehlungen zur Rechtsanpassung erarbeitet. Interdisziplinäre Zusammenarbeit soll insbesondere das gegenseitige Verständnis von technischen und juristischen Fachpersonen im Big-Data-Bereich fördern.
Bedeutung / Anwendung
Das Projekt bietet ein Forum für eine Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen, die für die Entwicklung und Nutzung von Big Data relevant sind – am Beispiel des Bereichs automatisiertes Fahren und intelligenter Strassenverkehr. Das Projekt analysiert das geltende Recht und zeigt Perspektiven für dessen Weiterentwicklung auf. Die Erkenntnisse sind sowohl für Entwickler und Anwender von Nutzen als auch für die Rechtspraxis und für gesetzgeberische Initiativen.
Resultat
Im Projekt wurde der Bedarf an rechtlichen Reformen, insbesondere in Bezug auf die folgenden Bereiche identifiziert:
Das Schweizer Recht braucht einen grundlegend neuen Ansatz für "Datenrechte". Die im Vertragsrecht und im Deliktsrecht vorherrschenden Vorstellungen von "Dateneigentum" und daraus resultierenden Ansprüchen sollten durch neuartige Rechtskonzepte von "Datenübertragungsrechten", "Datenzugriffsrechten" und innovativen Theorien zum Begriff des "Dateninhabers" vs. "Datentreuhänders" ersetzt werden. Ein "Eigentumsrecht" an persönlichen oder nicht-persönlichen Daten wird wahrscheinlich mehr Schaden als Nutzen anrichten wegen den Risiken für Wettbewerb und Innovation. Die individuelle Zustimmung zur Datenverarbeitung wird das entscheidende Instrument bleiben, um einen menschenzentrierten und fairen Handel mit Daten zu gewährleisten.
Im Strafrecht muss die Vorstellung davon, wer Opfer von Datendelikten ist, neu gestaltet werden mit zeitgemässen Vorstellungen davon, wer tatsächlich unter kompromittierten Daten leidet und daher berechtigt sein sollte, Anzeige zu erstatten oder ein öffentliches Verfahren zu blockieren. Anknüpfend an die Idee eines "Datentreuhänders" ist einerseits eher nach dem "Datenprivilegierten" als nach einem klassischen Verbrechensopfer zu suchen. Andererseits muss das Strafprozessrecht anerkennen, was der Zugriff auf eine Fülle von Daten, verarbeitet durch Künstliche Intelligenz (KI), für die Tatsachenfeststellung und deren Grenzen bedeutet. Letztlich müssen wir die Grenzen einer vertrauenswürdigen und fairen Tatsachenfeststellung im digitalen Zeitalter neu definieren: Mit dem Aufkommen intelligenter Umgebungen ändern sich die Methoden grundlegend, wie Tatbestandsmerkmale von mutmasslich strafbarem Verhalten festgestellt und wie diese Tatbestände vor Gericht bewiesen werden. Ein entsprechender rechtlicher Rahmen muss die Anforderungen an "maschinelle Beweise" und "Roboter-Aussagen" definieren.
Originaltitel
Legal Challenges in Big Data. Allocating benefits. Averting risks