"Die Anzahl Atome in einer menschlichen Zelle – das sind grosse Zahlen"
Interview mit Bert Müller, Delegierter des Nationalen Forschungsrats des SNF für das NFP 75 "Big Data".
Sie sind neu Delegierter des Nationalen Forschungsrats des SNF für das NFP 75. Was sind Ihre Erwartungen an das NFP 75?
Grosse Datenmengen begegnen uns immer häufiger auch in der medizinischen Forschung und der Patientenbehandlung. Oft können die Medizinerinnen und Mediziner diese Daten manuell nicht mehr bearbeiten und müssen sich auf automatische Algorithmen verlassen. Es gilt herauszufinden, inwiefern die Ergebnisse des NFP 75 zum Wohl der Patientinnen und Patienten beitragen können.
Was würde fehlen, wenn es das NFP 75 nicht gäbe?
Als Physikstudent habe ich gelernt, zwischen experimenteller und theoretischer Physik zu unterscheiden. Inzwischen haben «in silico»-Experimente einen festen Platz. So habe ich gesehen, dass als Beispiel im Rahmen des NFP 75 epileptische Krampfanfälle und sekundäre Hirnschädigungen präzise vorhergesagt werden können, ohne das klassische Experimente oder komplexe Theorien Verwendung finden. Ohne NFP 75 gäbe es diese Art von Forschung weniger.
Können Sie uns erklären, was aus Ihrer Sicht Big Data bedeutet?
Ich frage die Studierenden, wie viele Atome in einer biologischen Zelle sind oder aus wie vielen Atomen ein Mensch besteht. Es lassen sich dazu kaum Vergleiche ziehen: Es sind etwa 1000-mal mehr Atome in einer Zelle als Sterne im Milchstrassensystem und etwa genauso viele Zellen finden sich in einem Menschen. Das sind grosse Zahlen.
Bei medizinischen Daten, wie sie täglich in den radiologischen Abteilungen der Spitäler gesammelt werden, spielen zudem ethische und Sicherheitsfragen eine zentrale Rolle.
Wo erwarten Sie die grössten Auswirkungen? Was ist Unsinn?
Das lässt sich schwer vorhersagen. Ich freue mich immer über Überraschungen. Wenn man die Fragen und Herausforderungen ernsthaft angeht, wie im NFP 75, dann entsteht kein Unsinn.
Wie beurteilen Sie die Position der Schweiz in Bezug auf Big-Data-Forschung? Wie wichtig ist das NFP 75?
Die Schweiz hat sicher eine starke Position im internationalen Vergleich. Die Herausforderungen sind jedoch riesig und dynamisch. Wir sehen das täglich, wenn wir uns die wachsenden Möglichkeiten der Speichermedien bewusst machen. Tiefgründige Forschung ist deshalb ganz zentral. Das NFP 75 unterstützt das zugehörige Netzwerk der führenden Forschungsinstitutionen in der Schweiz substanziell.
Bert Müller
Bert Müller ist Thomas Straumann-Professor für Materialwissenschaft in der Medizin an der Universität Basel und Privatdozent am Departement Physik der ETH Zürich. Seit Anfang 2021 ist er zudem der Delegierte des Nationalen Forschungsrats des SNF für das NFP 75.